Wallfahrtsmedaillen gehören seit Jahrhunderten zur christlichen Frömmigkeitspraxis in Europa. Als Andenken, Segenszeichen oder Schutzsymbol sind sie untrennbar mit der Wallfahrt – dem Pilgern zu heiligen Stätten – verbunden. Besonders im katholischen Raum stellen sie ein bedeutendes Zeugnis der Volksfrömmigkeit dar.
In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Herkunft, Entwicklung, Motive und Bedeutung von Wallfahrtsmedaillen – von der Antike bis zur Gegenwart.
Was sind Wallfahrtsmedaillen?
Wallfahrtsmedaillen sind kleine, meist ovale oder runde Metallplaketten, die Pilger an heiligen Orten erwerben oder erhalten konnten. Sie wurden ursprünglich als Zeichen der Teilnahme an einer Wallfahrt getragen – ähnlich wie ein Zeugnis oder eine religiöse Auszeichnung. In vielen Fällen waren die Medaillen gesegnet und galten als Träger von Schutz und Segen.
Geschichte der Wallfahrtsmedaillen
Ursprung in der Antike und im Mittelalter
Bereits in der Spätantike und im Frühmittelalter wurden Pilgerzeichen aus Ton, Blei oder Zinn an bedeutenden Wallfahrtsorten wie Rom, Santiago de Compostela oder Jerusalem verbreitet. Diese frühen Formen waren meist einfache Amulette oder flache Plaketten mit christlichen Symbolen.
Im Laufe des Mittelalters entwickelten sich diese Zeichen weiter – vor allem durch die Pilgerbewegungen zu großen Wallfahrtsorten wie:
- Santiago de Compostela (Jakobus)
- Rom (Petrus und Paulus)
- Aachen (Reliquienheiligtum)
- Einsiedeln (Schweiz)
- Mariazell (Österreich)
Die Medaillen wurden nun zunehmend aus Metall gegossen und detaillierter gestaltet. Ihre Funktion reichte von religiösem Andenken bis hin zum magischen Schutzsymbol gegen Krankheit, Unheil und Tod.
Barockzeit: Blüte der Wallfahrtsmedaillen
Im 17. und 18. Jahrhundert, insbesondere in der Zeit der Gegenreformation und des Barock, erreichte die Herstellung von Wallfahrtsmedaillen ihren Höhepunkt. Es entstanden kunstvoll geprägte oder gegossene Medaillen mit fein detaillierten Szenen aus dem Leben Christi, Mariens und der Heiligen.
Diese Medaillen wurden oft von Klöstern oder kirchlichen Stätten vertrieben, aber auch von wandernden Händlern verkauft. Besonders beliebt waren sie in Süddeutschland, Österreich, Böhmen und Norditalien.
Bekannte Wallfahrtsorte und ihre Medaillen
1. Altötting (Deutschland)
Wallfahrtsziel: Die Schwarze Madonna in der Gnadenkapelle
Herkunft: Bayern, wichtigster Marienwallfahrtsort Deutschlands
Typische Medaille:
- Vorderseite: Maria mit dem Jesuskind (Schwarze Madonna von Altötting)
- Rückseite: Gnadenkapelle oder Inschrift wie „Bitte für uns“
Besonderheit: Viele Medaillen aus Altötting zeigen aufwendige Gravuren mit bayerischer Ornamentik. Historische Medaillen stammen meist aus dem 17. bis 19. Jahrhundert.
2. Lourdes (Frankreich)
Wallfahrtsziel: Marienerscheinung der Hl. Bernadette Soubirous (1858)
Typische Medaille:
- Vorderseite: Die Jungfrau Maria in der Felsgrotte von Massabielle
- Rückseite: Bernadette kniend vor der Erscheinung oder die Basilika von Lourdes
Besonderheit: Moderne Lourdes-Medaillen sind oft emailliert oder aus Aluminium. Viele enthalten einen kleinen Tropfen des Quellwassers von Lourdes als Symbol der Heilung.
3. Santiago de Compostela (Spanien)
Wallfahrtsziel: Grab des Apostels Jakobus (Santiago)
Typische Medaille:
- Jakobus als Pilger mit Hut, Stab und Muschel (Jakobsmuschel)
- Inschrift „Santiago“ oder lateinisch „Sanctus Iacobus“
Besonderheit: Oft sind die Medaillen Teil des traditionellen Pilgerausweises oder als Ansteckplakette für den Rucksack gedacht. Historisch gab es auch Zinnmedaillen mit aufwendigen Reliefs.
4. Mariazell (Österreich)
Wallfahrtsziel: Gnadenstatue „Magna Mater Austriae“
Typische Medaille:
- Vorderseite: Die geschnitzte Gnadenstatue im Rokoko-Stil
- Rückseite: Wallfahrtskirche oder der Text „Mariazell, bitte für uns“
Besonderheit: Mariazell-Medaillen gelten in Österreich als Symbol nationaler Marienverehrung. Besonders im 18. Jahrhundert wurden viele Gussmedaillen dort produziert.
5. Fatima (Portugal)
Wallfahrtsziel: Marienerscheinung von 1917 vor drei Hirtenkindern
Typische Medaille:
- Darstellung der Madonna von Fatima mit Strahlenkranz
- Rückseite: Die Erscheinungsszene mit den Kindern
Besonderheit: Viele Medaillen sind als „Fatima-Rosenkranzmedaillen“ gestaltet, oft in Verbindung mit dem Herz Mariens. Sie sollen Frieden und Schutz vermitteln.
6. Kevelaer (Deutschland)
Wallfahrtsziel: Gnadenbild „Trösterin der Betrübten“
Typische Medaille:
- Vorderseite: Maria mit Sternenkranz und Jesuskind
- Rückseite: Wallfahrtsbasilika oder Monogramm M
Besonderheit: Besonders in Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden verbreitet. Historische Medaillen tragen häufig lateinische Inschriften oder Wappen.
Materialien und Herstellung
Die Medaillen wurden traditionell aus folgenden Materialien gefertigt:
- Blei oder Zinn (frühe Formen, günstig in der Herstellung)
- Bronze oder Messing
- Kupfer (später versilbert oder vergoldet)
- Silber oder Gold (selten, meist für wohlhabendere Pilger)
Die gängigsten Herstellungsmethoden waren:
- Gussverfahren (meist im 17. Jahrhundert)
- Prägung mit Stempel (vor allem im 18. und 19. Jahrhundert)
Viele Medaillen sind beidseitig gestaltet und besitzen eine Öse oder ein Loch, um sie an einer Kette, Kleidung oder am Rosenkranz zu befestigen.
Typische Motive und Symbole
Wallfahrtsmedaillen zeigen eine enorme Bandbreite religiöser Darstellungen. Häufige Motive sind:
- Christusdarstellungen (Kreuzigung, Auferstehung, Herz Jesu)
- Marienerscheinungen (z. B. Maria von Lourdes, Maria von Fatima, Maria Immaculata)
- Heilige und Schutzpatrone (z. B. Benedikt von Nursia, Jakobus, Antonius von Padua)
- Wallfahrtsorte (Abbildungen von Kirchen, Kapellen oder Gnadenbildern)
- Inschriften mit Segenssprüchen, Gebeten oder Ortsnamen
Eine besonders verbreitete Darstellung ist die Benediktusmedaille mit dem Kreuz des Heiligen Benedikt und einem Exorzismusgebet gegen das Böse.
Bedeutung und Verwendung
1. Religiöses Erinnerungsstück
Für Pilger war die Medaille ein bleibendes Andenken an die geistliche Reise. Sie erinnerte an das Gebet, die Buße und das Sakrament der Versöhnung.
2. Schutzsymbol
Wallfahrtsmedaillen wurden oft als Schutz gegen Krankheiten, Unwetter oder Unglück getragen. In Zeiten der Pest oder in Kriegszeiten waren sie besonders gefragt.
3. Glaubenszeugnis
Das Tragen einer Medaille galt auch als öffentliches Bekenntnis zum Glauben, ähnlich wie ein Kreuzanhänger.
4. Volksfrömmigkeit
In der katholischen Volkskultur wurden die Medaillen mit religiösen Bräuchen, Haussegen, Prozessionen und Heilserwartungen verknüpft. Manche Medaillen galten als wundertätig oder mit Gnaden verbunden.
Wallfahrtsmedaillen heute
Auch in der heutigen Zeit haben Wallfahrtsmedaillen ihre Bedeutung nicht verloren. Bei Pilgerreisen – etwa nach Lourdes, Fatima, Altötting oder Medjugorje – sind sie nach wie vor als Souvenir und religiöses Symbol gefragt. Moderne Varianten sind oft aus Aluminium, Edelstahl oder emailliertem Metall gefertigt.
Wallfahrtsmedaillen können getragen, verschenkt oder als Devotionalie aufbewahrt werden – etwa im Auto, in der Wohnung oder in einer Gebetsecke.
Sammeln und historische Bedeutung
Wallfahrtsmedaillen sind ein beliebtes Sammelgebiet für Historiker, Numismatiker und Liebhaber religiöser Volkskunst. Besonders gefragt sind:
- Barocke Gussmedaillen
- Silberne Medaillen mit kunstvoller Prägung
- Exemplare mit ungewöhnlichen Wallfahrtsorten
- Medaillen mit seltenen Heiligen oder lokalen Kulten
Sie bieten spannende Einblicke in die Frömmigkeitsgeschichte, Kunst und Kultur des Christentums.
Fazit
Wallfahrtsmedaillen sind mehr als bloße Andenken – sie verkörpern Glauben, Schutz, Identität und Erinnerung. Als kulturhistorische Objekte erzählen sie von Jahrhunderten christlicher Pilgertradition und religiöser Alltagskultur. Auch heute noch sind sie lebendige Zeugnisse gelebter Spiritualität – zwischen Volksfrömmigkeit und sakraler Kunst.
FAQ zu Wallfahrtsmedaillen
Was ist der Unterschied zwischen Wallfahrtsmedaille und Heiligenmedaille?
Oft überschneiden sich die Begriffe. Eine Wallfahrtsmedaille bezieht sich auf einen konkreten Pilgerort, eine Heiligenmedaille zeigt einen bestimmten Heiligen ohne Ortsbezug.
Sind Wallfahrtsmedaillen katholisch?
Ja, sie sind vor allem in der katholischen Kirche verbreitet. In der orthodoxen Kirche existieren vergleichbare Objekte, in der evangelischen Tradition spielen sie kaum eine Rolle.
Sind alte Medaillen wertvoll?
Der materielle Wert hängt vom Alter, Zustand, Material und der Seltenheit ab. Der ideelle Wert überwiegt jedoch oft.
